Gemeinsam mit der Firma Aldi plant die Gemeinde Stelle den Bau eines gewaltigen Logistikzentrums an ihrem westlichen Ortsrand. Das vollautomatische Zentrallager wird 7 Tage die Woche 24 Stunden in Betrieb sein. Dafür sollen 16 ha komplett versiegelt werden. Neben dem eigentlichen Zentrum, welches mit einer Höhe von bis zu 17 m dem derzeitigen Landschaftsrelief eine ganz eigene Charakteristik verleihen wird, sollen auch eine Tankstelle und eine LKW-Waschanlage entstehen. Für den erhofften Steuersegen und potenzielle neue Arbeitsplätze ist die Gemeinde gern bereit, von ihrer Vision vom Erhalt des dörflichen Charakters in Stelle abzuweichen.
In Stelle selbst besteht ein erheblicher Widerstand gegen das geplante Projekt. Fast 2300 Steller – also ein Viertel der Bevölkerung – hat dagegen unterschrieben. Es gibt viele gute Gründe gegen den Bau.
Auf der Fläche befindet sich ein etwa 4000 Jahre altes Hügelgrab, welches komplett zerstört würde. Die Untere Denkmalschutzbehörde hat sich stets gegen diese Zerstörung ausgesprochen, später dann aber doch zugestimmt. Über die Hintergründe dieser Meinungsänderung lässt sich nur spekulieren.
Die Untere Naturschutzbehörde lehnte den Bau in der geplanten Form zunächst ab, da dadurch ein geschütztes §30 Biotop stark beeinträchtigt würde. Dabei handelt es sich um eine im Wald liegende Quelle mit besonderer Vegetation. Die Tatsache, dass hier auch ein historischer Weg verläuft, kommt noch dazu. Inzwischen wurde dem Befreiungsantrag zugunsten der Bebauung zugestimmt. Allerdings nutzt das hydrologische Gutachten, welches besagt, es seien keine wesentlichen Beeinträchtigungen durch die Versiegelung zu erwarten, veraltete Daten vom Juni 2010. Diese berücksichtigen nicht die trockenen Sommer der letzten Jahre. Auch die vorgenommene Grundwassermodellierung, die eine völlig unproblematische Absenkung des Grundwasserspiegels um wenige Zentimeter prognostiziert, ist angreifbar.
Das Verkehrsgutachten sieht in dem erwarteten Verkehrszuwachs keine Probleme, obwohl der 24/7 LKW Betrieb über die ohnehin völlig überlastete AS Maschen sowie die staugeplagte K86 abgewickelt werden soll. Auch Lärm und Emissionen in größerem Ausmaß sind nicht zu erwarten, wenn man dem Emissionsgutachten glaubt. Das dieses gar keine standortbezogenen Daten zu Wind nutzt, um die Emissionen zu modellieren, macht dessen Glaubwürdigkeit allerdings fraglich.
Das Umweltgutachten nutzt teilweise Kartierungen von 2007. Wesentliche Artengruppen wie Tagfalter, Wildbienen, oder Käfer wurden nicht erfasst. Bei den Vögeln fehlt etwa der Neuntöter, der regelmäßig auf der Fläche brütet und in Niedersachen in der Roten Liste geführt wird. Auswirkungen weiterer Fragmentierungen werden als unbedenklich angesehen, da die Fläche ja bereits stark fragmentiert sei. Wie solche Gutachten als sachliche Grundlage für eine Entscheidung dienen sollen, die den Charakter der Gemeinde Stelle für Jahrzehnte grundlegend verändern wird, ist kaum nachvollziehbar.
Bleibt die Frage nach der Plusseite: Steuergelder und Arbeitsplätze. Die Höhe der zu erwartenden Steuereinnahmen ist der Gemeinde leider nicht bekannt. Auch zeigen Beispielrechnungen, dass durch den Verteilungsschlüssel nur ein Bruchteil der generierten Steuern am Standort verbleiben. Die Anzahl der zu erwartenden Arbeitsplätze ist ebenfalls unklar, aber es handelt sich um ein vollautomatisches Logistikzentrum, dessen Belegschaft vom jetzigen Standort Ohlendorf nach Stelle pendeln wird. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Kathleen Schwerdtner Máñez
Aldi Zentrallager in Stelle: Große Pläne für eine kleine Gemeinde
